Buchmesse im Park

Im Sommer 1976 kam ein junger Argentinier nach Madrid zur Buchmesse. Die erste Buchmesse nach dem Tod von Franco und viele der Bücherstände im Retiro-Park waren damals noch mit Fascho-Symbolen beschmiert. Der junge Argentinier war überrascht, entgeistert von den langen Schlangen vor manchen Hütten, Leser die sich dort die Bücher der angesagten Autoren signieren lassen wollten. Er kam mit einem Buchhändler ins Gespräch, vor dessen parolenbeschmierter Hütte keine Leserschlangen auf einen Bestsellerautoren warteten.
Beide hatten viel Zeit, hatten sich viel zu sagen. Und weil der junge Argentinier ein paar Belegexemplare seines neuesten Romans im Koffer hatte, kam er am nächsten Tag wieder. Doch kaum ein Leser interessierte sich dafür, keine Leserschlangen.
Der junge Argentinier hieß Manuel Puig. Ich denke, die meisten von euch haben seinen Roman „Der Kuss der Spinnenfrau“ gelesen. Die Geschichte von zwei Männern im Knast in Buenos Aires, wo der schwule Molina dem Revolutionär Valentin Filme erzählt, um ihn am Leben zu halten. Aber am Ende sterben beide. William Hurt bekam für die Verfilmung von „Der Kuss der Spinnenfrau“ 1986 einen Oscar.

Gabi am Stand von El Pais

Der Buchhändler hieß Rafael Chirbes. Ihr kennt vemutlich seinen Roman „Am Ufer“ – der Roman über den geplatzten spanischen Bauboom.
Der Bestsellerautor von damals ?? Vergessen.
Diese Geschichte von 1976 haben wir nicht selbst erlebt, Frank hat sie in der, noch immer, besten spanischen spanischen Tageszeitung „El Pais“ entdeckt. Und ich finde sie bezeichnend für diese Messe.

 

Kurze und sehr viele, sehr lange Schlangen von Lesern vor einem Bücherstand haben wir selbst erlebt und uns auch eingereiht. Zuletzt Frank bei Fernando Aramburu. Der wurde gerade mit einem wichtigen spanischen Literaturpreis für seinen Roman „Patria“ (Vaterland) ausgezeichnet. Ein Roman über die ETA und ihre, auch, faschistischen Wurzeln. Der Roman wird in den spanischen Feuilletons derzeit sehr kontrovers diskutiert. Frank musste gut eine halbe Stunde warten, zum Glück im schattigen Teil des Parks. Als er dann mit dem 646 Seiten dicken Wälzer vor Aramburu stand und ihn fragte, ob der Roman irgendwann übersetzt würde, antwortete der in fließendem, akzentfreien Deutsch “ im Herbst erscheint der Roman bei Rowohlt.“

Fernando Aramburu

Eben lese ich im Klappentext , dass Aramburu seit 1985 in Deutschland lebt. In Hannover , mit seiner deutschen Ehefrau. Na denn …

Meine Begegnung mit Rosa Montero konntet ihr ja schon in dem Artikel über den Park insgesamt lesen.

Die Buchmesse heute hat 367 Ausstellerbüdchen, uniforme Stände mit stabilen, weißen Kunststoffwänden.“Casetas“ ist der spanische Begriff dafür. Mehrheitlich stellen Verlage aus, aber auch knapp 100 Buchhändler aus der Stadt. Der Buchmessenrabatt wird flexibel gehandhabt, offiziell beträgt er 10 Prozent.

Die Buchmesse hier hat mit der Frankfurter nicht allzuviel gemein. Klar, es geht um Bücher. Aber zum einen richtet sich die Madrider ausschließlich an den „Endverbraucher“. Lizenzverhandlungen oä finden nicht hier statt. Und: Es gibt so gut wie keine Autorenlesungen. Wäre bei dem Lärm hier auch kontraproduktiv .

Junge Leser bei Julia Navarro

Erstaunlich viele junge Leser sind unterwegs. Für die Knirpse stehen vor den entsprechenden Ständen niedrige Plastikhocker, damit sie an die Bücher rankommen,und selbst sie,die Knirpse, lassen sich ihre Bilderbücher signieren. Vermutlich steckt der sanfte Druck der Eltern dahinter.

Erstaunlich: Jugendliche lesen noch Papierbücher. Die ganz langen Schlangen,von uniformiertem Sicherheitspersonal kontrolliert und mit Wartezeiten von einer Stunde und mehr, die haben wir bei Fantasy-Romanen, Biografien von jugendlichen Serienstars und Graphic Novels gesehen.

Individueller Protest

Erstaunlich deshalb, weil so gut wie kein spanischer Jugendlicher, weiblich oder männlich, ohne das Smartphone aus dem Haus geht. Spätestens zur Ersten Kommunion, also mit 10, ist das Smartphone fällig – las ich neulich in einem kulturpessimistischen Zeitungsartikel.
Das eine schließt offensichtlich das andere nicht aus.

Kurzes Video von der Feria del Libro

1 Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


*