Gegen Abend wird’s gefährlich im Retiro, dem zweitgrößten und schönsten Park von Madrid. Nicht weil dann die Stunde der Räuber, Dealer und anderer zwielichtiger Gestalten schlägt. Nein, in dieser Hinsicht ist der Park in der Stadtmitte relativ sicher.
Gefährlich wird der Retiro wegen der Heerscharen von Sportlern, die allabendlich den Park überfallen. Jogger, Walker, Rückwärtsläufer. Radfahrer, Skater, Rollerfahrer ( hier in Spanien heißt die schwarze oder edelstahlglänzende Hipsterversion der Kinderroller „patinete“ – das deutsche Wort fällt mir ums Verrecken nicht ein). Und weil der „gemeine“ Spanier ein Gemeinschaftswesen ist, treibt er auch seinen Sport nicht alleine, sondern in großen,lauten Gruppen. Und gerne auch als Wettbewerb.
Da abends, und im Park mit seinen uralten Bäumen sowieso, die Luft im heißen Madrid etwas abkühlt, sind nicht nur Sportler unterwegs, sondern auch Menschen mit Hunden, Mütter und/oder Väter mit Kindern – und die nie ohne mobile Spielzeuge – schlendernde Senioren, quatschende Frauengrüppchen, schöne (oder auch einfach nur feiste) Männer mit suchendem Blick, verwirrte Touris. Und ab und an eine berittene Patrouille der Guardia Civil.
Zur sonntäglichen Matinee spielt bei „Bandas al Fresco“, Musik im Park, die „Banda Sinfonica Municpal de Madrid“, die Stadtkapelle, ab 12 Uhr unter Bäumen Klassiches und Spanisches. Das ist eine eigene Geschichte.
Zusammengefasst: der Park ist voll. Wer einfach in Ruhe seine Runden drehen will, der mus höllisch aufpassen, nicht mit irgendeinem Aktiven zusammenzustoßen. Slalomgehen ist angesagt. Und besondere Aufmerksamkeit für Kleinsthunde und ferngesteuerte Kleinstroboter.
Der schönste Platz für uns ist die niedrige Steinmauer an großen See, dort hat mal alle und alles im Blick. Und staunt über “ all die Tierle In unserm Herrgottle sein Garten“ , wie meine schwäbische Nennoma gesagt hätte. Wir könnten uns auch in einen der vielen Biergärten im Park setzen – aber die verkaufen den mutmaßlich zweitteuersten Kaffee der Stadt.
In dieser Woche findet im Retiro die Madrider Buchmesse statt. In ein paar hundert weißen Büdchen präsentieren Verlage und Buchhandlungen Neuerscheinungen und klassisches,bewährtes. Über Lautsprecher verkündet pausenlos eine monotone Stimme, welche Autorin, welcher Autor an welchem Stand sitzt und seine Bücher signiert. Die Buchmesse hier ist eine Messe zum Bücherkaufen. Mit Rabatt. Zwischen 10 und 20 Prozent.
Auch wir haben glücklich unsere Schätze in einer toll gestalteten Papiertüte nach Hause geschleppt.
In den nächsten Tagen werden wir weitersuchen. Irgendwie müssen wir ja das Übergepäck zusammenbekommen,das Frank vorausschauend für den Rückflug schon gebucht hat.
Die längsten Schlangen gibt’s bei Bestsellerlieferanten und bei Ratgeberschreibern. Ich habe den Eindruck, dass in Spanien noch mehr Ratgeberbücher veröffentlicht werden als bei uns.
Bei meiner spanischen Lieblingsschreiberin, der El Pais- Autorin Rosa Montero, musste ich mich in anstellen. Und hatte dabei ausreichend Zeit, mir ein paar nette spanische Sätze zurechtzulegen. In der Widmung steht nun: „Danke Gabi für die Nettigkeiten.“
Heute Nachmittag, wenns wieder richtig heiß wird, packen wir Obst, Bücher und vielleicht eine Tortilla aus der nächsten Bar in den Rucksack und suchen uns ein ruhiges, schattiges Plätzchen – die gibt’s auch im Retiro.
Liebe Gabi, liest du auch in spanisch. Spoannend, was ihr alles erlebt.
Wir vermissen euch auf dem Markt und auch sonst.
Übermorgen verschwinden wir nach Frankreich.
Also sehen wir uns dann – hoffentlich – im Augugst wieder.